Mit Nadel und Faden lassen sich nicht nur brav Näharbeiten erledigen, sondern verwegen die Grenzen der Kunstwelt herausfordern. Hier kommen Künstler, die auf die Magie textiler Materialien setzen.
Alexandra Kehayoglou weist mit ihrer Kunst eindrucksvoll auf die Folgen des Klimawandels hin. Foto: Mike Bink.
Text: Bettina Krause
Alexandra Kehayoglou: Wilde Wälder
Alexandra Kehayoglous Arbeiten sind ein Aufruf gegen die Abholzung und Zerstörung unserer Waldgebiete. Die zum Teil riesigen Werke der 1981 in Buenos Aires geborenen Künstlerin, sind als Warnung vor dem Aussterben der Wildnis zu verstehen und als Kritik an einer Gesellschaft, die sich nicht ausreichend um die drastischen Klimaveränderungen kümmert. Gefertigt sind die textilen Arbeiten aus überschüssigen Materialien in mühsamer Handarbeit; der Entstehungsprozess ihrer Werke ist oft langwierig, erfordert körperliche Anstrengung und eine sehr präzise Technik.
Mulyana: Knallbunte Korallen
Mulyana ist bekannt für seine farbenfrohen, gehäkelten Korallenwelten und Figuren, die von den Fernsehsendungen seiner Jugend inspiriert sind. Die Werke des 1984 in Indonesien geborenen Künstlers scheinen kleine, wachsende Mikrokosmen zu bilden. In ihnen verbindet Muylana seine Liebe zum Häkeln mit Akribie und dem Wunsch, Geschichten zu erzählen. Seine farbenfrohen Installationen sind als Sinnbild für die globalen, sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit zu verstehen und sollen zu einer neuen Verantwortung gegenüber der Natur und zum gegenseitigen Respekt aller Menschen inspirieren.
© Courtesy: Sapar Contemporary und der Künstler
Gabriel Dawe: Umgarnt und erleuchtet
Das sichtbare Lichtspektrum fasziniert den 1973 in Mexico City geborenen und in Dallas lebenden Künstler Gabriel Dawe. In seinen ortsspezifischen, oft temporär angelegten, großformatigen Arbeiten aus gefärbtem Nähgarn setzt sich der ausgebildete Grafikdesigner, der sich auch für Architektur und Mode begeistert, mit dem Phänomen Licht auseinander. „Plexus“ ist seine bisher bekannteste Serie, deren Name auf die im menschlichen Körper verlaufenden Nervenbahnen verweist. Schon als kleiner Junge interessierte sich Dawe für Handarbeiten – durfte sie aufgrund strenger Geschlechterrollen jedoch nicht erlernen. Heute stellt er mit seinem Werk die traditionelle Einordnung des Garns als Handwerksmaterial eindrucksvoll in Frage.
Installation "Plexus" © Gabriel Dawe
Nevin Aldağ: Vielfältiger Flickenteppich
„Social Fabric“ heißen die Arbeiten der 1972 in der Türkei geborenen und in Berlin lebenden Performance- und Installationskünstlerin Nevin Aldağ. Das Handwerk in Form von Teppichen ist Zentrum der Serie, die verschiedene Textilien collagenartig vereint: geknüpfte Kelims und traditionelle Teppiche aus Schurwolle, Seide oder Sisal. In unterschiedlichen Techniken, mal in Handarbeit, mal als Massenware produziert, bilden die einzelnen Elemente ein Großes Ganzes. Die textilen Werke können als Analogie einer idealen, diversen Gesellschaft verstanden werden, in der jede und jeder gleichberechtigt ist.
Faig Ahmed: Alles im Fluß
Seine Kunst interpretiert altes Handwerk neu, setzt innovative, visuelle Impulse und dekonstruiert Traditionen ebenso wie Stereotypen: Der 1982 in Aserbaidschan geborene Faig Ahmed kreiert visuell verzerrte, verpixelte oder wie geschmolzen wirkende Orientteppiche in alt hergebrachten Webtechniken, Materialien und Farben und verpasst ihnen eine surrealistische, zeitgenössische Note. In seinen Webe-Arbeiten setzt sich Ahmed mit der Frage nach der Wahrnehmung von Wahrheit sowie der Erschaffung von Wahrheit auseinander.