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Die Acker-Ästhetik der Lady B

So wird Carole Bamford gern in Kurzform genannt, wobei das B auch gut für „Bio“ stehen könnte. Denn die Britin hat mit ihrem Unternehmen Daylesford Organic ein wahres Öko-Imperium erschaffen – und Kompost, Kohl und Kartoffeln ordentlich mit Glamour aufgeladen.

Öko-Unternehmerin Carole Bamford
Carole Bamford in ihrer grünen Oase © Daylesford Organic

Text: Lena Schindler

 

Es war kurz nach der Geburt ihrer Tochter Alice, ein heißer Sommertag im Jahr 1976, als Lady Carole Bamford beschloss, die Dinge von nun an anders zu machen. Das Baby schlief im Kinderwagen, sie kümmerte sich um die Rosen, die sie auf ihrer Farm in England zu züchten begonnen hatte, und bemerkte, dass sie auf einmal welk waren. Als ihr klar wurde, dass ein Unkrautbekämpfungsmittel, das auf den Bauernhöfen in der Nähe genutzt wurde, die Büsche angegriffen hatte, begann sie, Fragen zu stellen. „Diese Giftstoffe schützen vielleicht die Ernte, aber was machen sie mit unserer Umwelt? Und was mit unseren Kindern?“

 

Ein paar Wochen später traf Carole auf einer Agrarmesse einen Mann, der in einem winzigen Zelt für Bio-Lebensmittel warb. Stundenlang sprachen die beiden miteinander. Danach sagte sie zu ihrem Mann: „Wir müssen unsere Art der Landwirtschaft ändern.“ „Er hat mich angeschaut, als wäre ich bekloppt,“ erinnert sie sich heute an das Gespräch. „Er war überzeugt, dass die Farm dadurch den Bach runtergehen würde.“ Sir Anthony Bamford, mit dem sie seit fast 50 Jahren verheiratet ist und neben ihrer Tochter noch zwei Söhne hat, gilt als einer der reichsten Männer Großbritanniens, ist Unternehmer und Wirtschaftsmanager. Natürlich argumentierte er auf rein finanzieller Ebene. „Aber ich wusste intuitiv, dass es richtig war, ich habe es einfach gespürt“, so Carol Bamford. Drei Jahre dauere es, ihn davon zu überzeugen, den Hof auf nachhaltige Landwirtschaft umzustellen. Heute ist er derjenige, der darauf besteht, die Tiere homöopathisch zu behandeln oder den fleischfreien Montag mit seiner Frau zelebriert.

 

Aus Caroles ursprünglichem Wunsch, ihre Familie besser zu ernähren, wurde ein Modell traditioneller, verantwortungsvoller Landwirtschaft nach ökologischen Grundsätzen. Die Daylesford-Farm in Gloucestershire ist ein 1500 Hektar großes Bio-Anwesen, auf dem Herden seltener Schafe in einer idyllischen Parklandschaft weiden, seidig glänzende Kühe sich auf leuchtendem Stroh betten, im Mittelpunkt ein herrschaftliches Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert. Dazu gibt es eine Reihe umgebauter Scheunen, in denen Käse aus eigener Herstellung verkauft wird, selbst gebackenes Brot, Blaubeer-Kefir oder Ingwer-Kurkuma-Honig. Auch fast vergessene, neu kultivierte Sorten wie schwarze Rüben aus dem 16. Jahrhundert, besser bekannt als Black Spanish Round, findet man hier. Für ihre Schätze hat die 76-jährige Hofherrin immer auch eine Gourmet-Empfehlung parat, in diesem Fall: „Die sind köstlich mit Meersalz und einem Glas Prosecco! Es ist wichtig, nicht langweilig mit Bio-Produkten umzugehen, sonst verlieren die Leute die Lust. Spaß muss immer dabei sein.“



Die Daylesford-Farm mit Hofladen und Restaurant. © Daylesford

 

Das klappt bestens. Die Kundschaft will ihren Beitrag zum Schutz der Natur leisten, aber sie mag auch den Lebensstil, den sie mit dem Konzept verbindet, eine Portion Glamour und Luxus, das Sinnlich-Schöne, Produkte, die so hübsch (und natürlich umweltbewusst!) verpackt sind, dass sie sich im Geschenkkorb gut machen. Was auch Promis mit Landsitzen in der Region anzieht, die gern mal auf einen Dinkel-Apple-Pie hereinschneien. David Beckham postete schon Fotos vom herbstlichen Bauernhof-Ausflug mit Tochter Harper, die beide beim Ernten von Kohl und Äpfeln zeigten. Auch Kate Moss kommt gern auf eine Sprossen-Bowl in die Londoner Cafés. Und Premier Boris Johnson soll sich im vergangenen Jahr für umgerechnet 15.000 Euro Bio-Food aus dem Hause Daylesford in die Downing Street 10 geliefert haben lassen. 

 

Dass es mal so kommen würde, damit hat Carole nicht gerechnet. „Vor 40 Jahren war es nicht einfach, einen Bio-Bauernhof zu führen“, sagt sie. Und schon gar nicht populär: „Ich wurde als seltsame Frau angesehen.“ Doch das Bewusstsein hat sich geändert. Nach und nach wuchs aus der Idee ein ganzes Imperium. Vier Läden gehören heute dazu, neben dem Farm-Shop drei weitere in London, alle mit angeschlossenem Café. Hier wird gesundes Soul Food aufgetischt – einfache Gerichte aus guten, naturbelassenen Zutaten: Trüffel-Tagliatelle mit Topinambur und Parmesan, Panna Cotta mit pochiertem Rhabarber, Ofen-Rote-Bete mit Nüssen. Eine Kochschule gibt es außerdem, Farm-Cottages für Feriengäste, den „The Wild Rabbit“-Pub und das „Haybarn“-Spa in den Cotswolds, eine Linie für Kleidung sowie natürliche Pflege- und Haushaltsprodukte. Obwohl sie einen Haufen Auszeichnungen bekommen hat, sieht sich Lady B nicht als Geschäftsfrau. Sie betrachtet Daylesford Organic eher als Resultat ihrer Leidenschaft. „Die Leute sagen: ,Du hast eine Marke geschaffen.‘ Ich sage: ,Oh Gott, habe ich?’ Ich habe einfach mit einer Idee angefangen!“

 

Auch wenn sie in Designer-Gummistiefeln ans Werk geht, ist ihre Message doch eine ähnliche wie die all jener, die in einer Selbstversorger-Kommune barfuß den Acker bestellen: hochwertige, gesunde Lebensmittel zu produzieren und dabei die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. „Im Kern geht es um die Gesundheit des Bodens, um den gesamten Kreislauf. Was wir anbauen und wie wir es anbauen, ist, wozu wir werden – wir sind, was wir essen.“ Wie nachhaltig ihre Botschaft tatsächlich ist, zeigt sich auch an den Wurzeln, die ihre Idee in der eigenen Familie treibt: Tochter Alice mag im Kinderwagen geschlummert haben, als ihre Mutter ihren lebensverändernden Rosenbeet-Moment hatte, aber verschlafen hat sie trotzdem nicht, was diese ihr mitgegeben hat. Im Gegenteil. In Kalifornien betreibt sie heute selbst eine biologisch-dynamische Farm.


Das Interview erschien im stilwerk Magazin "ReFraming".


 
 
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