Wie sehen die Trends der Zukunft aus? Wie werden Design-Innovationen, Marken- und Produktstrategien sich entwickeln? Wir sprachen mit Tessa Mansfield, Chief Creative Officer bei der Trendagentur Stylus über die Kreativität von morgen.
Tessa Mansfield © Stylus
Interview: Silke Roth
Tessa Mansfield, sie arbeiten für eine Trend-Intelligenz Agentur. Was steckt hinter diesem Begriff?
Tessa Mansfield: Stylus wurde mit dem Ziel gegründet, einen ganzheitlichen Ansatz in der Innovationsforschung zu verfolgen. Bei Trends geht es um Menschen, deshalb stehen sie im Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir verfolgen und analysieren die sich wandelnden Denkweisen der Verbraucher und kulturelle Veränderungen, um unseren Kunden – globalen Unternehmen, Marken, Einzelhändlern und Agenturen – dabei zu helfen zu verstehen, wie die Menschen in Zukunft denken und fühlen werden, welche Produkte sie kaufen wollen und wie man am effektivsten mit ihnen kommuniziert.
In welchen Bereichen kann man Trends überhaupt vorhersehen?
T.M.: Die Zeiten, in denen ein Trend nur eine Branche prägte, sind vorbei. Man muss sich nur die weltweite Wellness-Bewegung ansehen und die verschiedenen Möglichkeiten, wie mehrere Branchen – von Technologie über Schönheit bis hin zu Lebensmitteln – sich das zunutze machen. Die beste Innovation kommt von einem Blick über den Tellerrand der eigenen Branche.
Wie beraten Sie die Design-Industrie?
T.M.: Wir betrachten jeden Trend in seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es ist wichtig, die Herkunft zu verstehen, um eine zukünftige Entwicklung zu verfolgen. Für Designmarken ist es wichtig, sich mit visuellen Trends auseinanderzusetzen, die ästhetischen Referenzen der Vergangenheit zu verstehen und herauszufinden, wie sie sich auf zukünftige Design-Richtungen beziehen könnten. Für diese Bedürfnisse bieten wir eine breite Palette von Trendberichten an, von schnelllebigen Kurz-Reports bis hin zu branchenübergreifenden Makrotrendberichten, die einen längerfristigen Einfluss haben. Um die Zeitvorgaben für Herstellung und Lieferung im Design einzuhalten, erstellen wir Design Directions und Farbspektren, die bis zu 24 Monate in die Zukunft blicken. Diese visuellen Berichte sind ein inspirierendes Tool für die Produktentwicklung und helfen die Arbeit an ersten Designkonzepten anzuregen. Meist bestehen sie aus breit angelegten Moodboards, die alles von Farbe, Oberfläche und Material bis hin zu Grafik- und Raumdesign betrachten, alles nach Themen geordnet. Neben unseren schriftlichen Expertenberichten halten wir Präsentationen, veranstalten virtuelle Gespräche und Podiumsdiskussionen, erstellen Videos und haben einen beliebten wöchentlichen Podcast.
Muss die Designwelt ihre Grundwerte jetzt überdenken?
T.M.: Das sollte sie, und glücklicherweise scheint sie das auch zu tun. Nach der Pandemie hat die Designbranche die Dringlichkeit für die Verbraucher erkannt, es besser zu machen. Auf einer der letzten Mailänder Designwoche wurde zum Beispiel der Ansatz „weniger ist besser“ verfolgt. Jetzt erwarten wir eine Neukalibrierung der Prioritäten – mit Designern und Herstellern, die eine positive Richtung einschlagen, um ein glückliches Zuhause, nachhaltige Kreisläufe und sinnvolle Produkte zu schaffen. Über allem steht dabei eine Grundmotivation: In der schnelllebigen Welt von heute ist Innovation der Schlüssel zum Überleben.
Mit welchen Tools arbeiten Sie?
T.M.: Das wichtigste Tool sind unsere Expertenteams, die unterschiedliche Hintergründe haben. Von Designern und Journalisten bis hin zu Stylisten und Strategen, so dass unsere Kunden eine breite kreative Perspektive auf die von uns produzierten Inhalte erhalten. Außerdem haben wir ein Beraterteam, von denen viele einen strategischen Hintergrund haben. Wir arbeiten auch eng weltweit mit externen Spezialisten aus verschiedenen Branchen zusammen, um sicherzustellen, dass wir unsere Erkenntnisse mit einem regionalen und lokalen Blickwinkel betrachten.
Blicken wir in die Zukunft. Ein wichtiges Thema im stilwerk Kosmos ist „re-framing“. Welche Strömungen werden die Art und Weise, wie wir leben, in einen neuen Rahmen setzen?
In einer unserer neuesten Arbeiten, „Consumer of 2040“, zeigen wir auf, wie die heutigen Veränderungen die globalen Lebensstile langfristig prägen werden. Ein Trend ist das Aufkommen der zukünftigen „Digi-Citizens". Da flexibles Arbeiten in den kommenden Jahren neben dem Wachstum einer virtuellen Wirtschaft zur Regel werden wird, werden wir den Aufstieg von mehr nomadischen und grenzenlosen Arbeitnehmern erleben, die die Technologie nutzen, um eine neue Art von Freiheit zu erlangen. Sie werden in virtuelle Welten ein- und aussteigen, virtuelles Eigentum im Metaversum besitzen und mit anderen an digitalen, kooperativen Arbeitsplätzen zusammenarbeiten, die es ihnen ermöglichen, in Kryptowährungen bezahlt zu werden. Ein weiterer Trend ist der, den wir als „ungebundene Existenzen“ bezeichnen. In Zukunft werden wir Konzepte sehen, die Freizeit und Arbeit in lokalen Gemeinschaften kunstvoll miteinander verbinden. In den meisten Wohnvierteln wird es wahrscheinlich dritte Räume geben, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Arbeit und Leben gerecht werden, wie z.B. erschwingliche Co-Working-Clubs mit Kinderbetreuung. Firmenbüros werden nicht überflüssig sein, sondern sich in nützliche Gemeinschafts-, Sozial- oder Kulturräume verwandeln und dafür sorgen, dass zentrale Geschäftsviertel nach Feierabend keine Geisterstädte sind. Sind doch spannende Aussichten, oder?
Die Expert:innen von Stylus werfen einen Blick in die Zukunft und haben bereits 2022 die Trendstudie "The Consumer of 2040" veröffentlicht. © Stylus
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